Mein Leben…

Was meine Sicht prägt…

„Sei da, wo der Ball hin gespielt wird!“ dieser Satz der Radio Consultant Valeri Geller macht mir seit 1992 Mut zur Phantasie. Chancen sehen und Möglichkeiten um uns herum, aber auch in uns selbst ist seitdem mein Thema. Deshalb habe ich eine liberale Idee für eine gute gemeinsame Zukunft für uns alle, die Freiraum lässt für jeden, sein ganz persönliches Leben auf seine eigene Art zu leben.

Ohne Leitbild kein Kompass auf hoher See

Vor gut zehn Jahren kamen drei Dinge zusammen, die meine Sicht neu geprägt haben. 2008 war die gesamte Redaktion von Radio Lippewelle Hamm im Hotel Mercure zusammengekommen, um sich unter professioneller Anleitung ein Leitbild zu erarbeiten. Leitfrage war: Wer wollen wir sein und wie mit uns und den Hörern umgehen? Ja, wir brauchen Erfolg bei den Hörern, um wirtschaftlich zu überleben. Doch kann das der ganze Sinn unserer Arbeit sein? Wie können wir sinnvolles tun für unsere Hörer, die uns ihre Aufmerksamkeit und damit ihre Zeit und ihr Vertrauen schenken?

Unverhofft kommt … immer wieder mal. Kommen wir damit klar?

Wenig später kam es zur Finanzkrise. Mit 300 Mrd. Euro an Steuergeldern wurden die Banken gerettet, die sich verzockt hatten. Ich durfte im März 2009 eine Veranstaltung der Hammer Serviceclubs dazu moderieren mit unseren drei Hammer Bundestagsabgeordneten. Ich habe mehrere Bücher dazu gelesen, die mich zu der Erkenntnis kommen ließen, dass unser Finanzsystem selbst eine Blase ist. So war schon 2010 etwa 15 mal soviel Geld in Umlauf wie es Güter und Dienstleistungen gibt und die Blase ist seitdem noch größer geworden. Der Grund ist der Zinseszinseffekt, der Geld schneller wachsen lässt als Güter produziert werden können. Was ist, wenn diese Blase  wieder platzt – wie es historisch alle 60 – 80 vorgekommen ist? Werden wir dann zu Angstbeißern werden? Seitdem frage ich mich, ob es etwas gibt, was uns mit dem Leben und miteinander klarkommen lässt, wenn es mal turbulenter wird.

Was tut uns wirklich, wirklich gut?

Komfort, Genuss und Spaß sind Lebensqualitäten, keine Frage. Doch es gibt auch bestimmte Erfahrungen, die uns ein gutes Gefühl geben können. Sie entstehen, wenn wir etwas hinkriegen, was uns wichtig ist. Dann fühlen wir uns selbstwirksam, wie die Psychologen sagen. Und offenbar ist das Lokale das passende Gebiet, um diese guten Erfahrungen machen zu können, denn hier kennen wir uns aus, können Gleichgesinnte finden und können etwas Sinnvolles bewirken. Dann blühen wir auf und entwickeln unsere Gestaltungs- und Begegnungsfähigkeiten, die Soziologen wie Alexander Dill Sozialkapital kennen und dem Finanzkapital von der Bedeutung für unser Leben her an die Seite stellen.

Die beiden Geheimnisse, die SIE stark machen!

Zwei Dinge bekommen Sie kaum zu hören, wenn es um unsere Zukunft geht: SIE ganz persönlich haben den Schlüssel dazu! Kaum ein Lehrer oder Chef sagt Ihnen, dass wir alle viel mehr Potentzial in uns tragen als wir bisher geglaubt haben! Diese Erkenntnis der Hirnforschung ist für mich eine echte Frohe Botschaft. DU bist damit größer als Du glaubst. Klar wollten Dich alle brav und vernünftig haben. Kinder, die was wollen … Sie kennen das. Seitdem bleiben wir unter unseren Möglichkeiten. Jetzt ist die Zeit gekommen, sie zu nutzen. Und das mit viel Freude Ohne Freude, Neugier, Lust am Leben selbst entfalten sich die Potentiale nicht, um die es jetzt geht! Damit wir findiger, phantasievoller, kreativer und mutiger werden, muss uns ein Thema auf irgendeine Weise berühren und wirklich etwas bedeuten. Das Thema muss UNS am Herzen liegen. Und darüber bestimmen auch SIE ganz persönlich ganz allein! Keine Schulbürokratie, Regierung oder Unternehmen kann da etwas anweisen, sie können nur zu etwas einladen und damit etwas möglich machen. Zum Beispiel, indem sie Mitarbeitern die Möglichkeit geben, selbst etwas zu erkunden. Ohne Erfolgsgarantie! Ohne kontrollieren zu können! Nur die besten Führungskräfte trauen sich das.

Kreativiert Euch!

Springt weiter als je zuvor! Seit kreativ und wagemutig! Auf kaum einem Disruption Convent und wie die Treffen der Wirtschaft alle heißen, fehlen diese Appelle an Phantasie, Kreativität und Wagemut. Ja, diese Kräfte können in Firmen wachsen. Aber nicht, wenn sie eingefordert werden. Aber welche Consultingfirma wird das offen zugeben? Sie zeigt, mit welchen Schritten man zum Erfolg kommt. Und wenn es nichts bringt, waren halt die Angestellten zu dumm.

Ohne Vertrauen wächst wenig Wertvolles

„Nur wenn wir in das Beste im Anderen vertrauen bringen wir dieses hervor!“ ist die Devise. Ebenso wie Wertschätzung ist das keine Technik, die nach Belieben eingesetzt werden kann: dreimal gelobt und noch immer nicht mehr Leistung – das funktioniert nicht. Weil es nicht ehrlich ist, sondern Strategie und Taktik, um etwas zu erreichen. Diese Absicht spüren Menschen – und sind verstimmt. Besonders erfolgreiche Führungskräfte können oft nicht anders, als ihre Mitarbeitern zu Objekten ihrer Erwartungen zu machen. Mir fällt da immer das Bild vom Hammer ein: Wer nur einen Hammer zur Verfügung hat, dem wird alles zum Nagel. Von Subjekt zu Subjekt auf Augenhöhe offen miteinander zu sprechen und einander wirklich zuzuhören ohne nach kurzer Zeit ein „ja, aber …“ folgen zu lassen – da ist noch viel Luft nach oben. Diese Art des Dialogs ist aber fast eine Garantie für gegenseitige Potentialentfaltung!

Wie mein Leben zur Kür wurde

Was ich an meinem Leben habe, das habe ich erst richtig gemerkt, als es auf dem Spiel stand, und das war am 14. Juni 2010 in Erden an der Mosel. Ein Unfall hat mein Leben verändert. Ich war mit dem Rennrad durch die Eifel gefahren, als mir auf der Rückfahrt kurz vor dem Ziel ein Ford Fiesta die Vorfahrt nahm. Ich trug einen Fahrradhelm, der dabei gerissen ist. Aber er hat gehalten. Ohne ihn wäre ich nicht mehr hier, sagte mir mein Hausarzt, oder würde bestenfalls im Rollstuhl sitzen. Mir wurde in den Wochen nach dem Crash immer bewusster, was ich in meinem Leben alles erreicht habe und genießen durfte: Eine tolle Familie, ein schönes Eigenheim und einen fast unglaublichen Erfolg im Beruf als Chefredakteur von Radio Lippewelle Hamm. Um ein Haar wäre ich nicht mehr da. Was ich jetzt leben darf, ist eine Art Zugabe. Das Leben wird mir mehr und mehr eine Kür, ein Geschenk. Diese Erfahrung hat mich dankbarer gemacht und mutwilliger. Von meiner Power möchte ich gerne etwas abgeben als Energizer für alle … Enttäuscht und frustriert! Dabei bin ich 1990 nur „aus Versehen“ zum Lokalradio gekommen. Eigentlich sollte ich als examinierter Deutsch- und Philosophielehrer am Gymnasium arbeiten. Doch als ich 1988 das Referendariat in Wuppertal beendet hatte, war ich von einem kompletten Einstellungstop betroffen – trotz bester Noten. Statt endlich Geld zu verdienen und eine Familie zu gründen ging ich mit 30 Jahren zum Arbeitsamt. Man bot mir Umschulungen an u. a. zum Lokaljournalisten. Das interessierte mich. Ich hatte schon während des Referendariats für ein alternatives Lokalmagazin geschrieben und einen Artikel in der ZEIT veröffentlicht sowie zwei Artikel in „Kindlers Literaturlexikon“ über einen Roman von Guntram Vesper und über Bazon Brock, einem ziemlich originellen Professor für Kunst und Ästhetik, den ich offenbar ziemlich gut getroffen habe, wie er mir 1986 bei einem Besuch bestätigt hat.

Eine neue Karriere beginnt ganz klein

Nach 18 Monaten Umschulung war ich ausgebildeter Lokalfunk-Journalist. Doch Anfang 1990 ließ das Lokalradio in NRW noch auf sich warten. Ich arbeitete deshalb zunächst als freier Mitarbeiter beim WDR bis im April die ersten Lokalsender an den Start gingen. Im Lokalfunk war ich von Anfang an dabei. Bei Radio MK in Iserlohn arbeitete ich eineinhalb Jahre als Redakteur, bis ich erfuhr, dass in Hamm ein neuer Chefredakteur gesucht wurde. Ich bewarb mich im Oktober 1991 mit Erfolg.

Karriere-Aus erweist sich als Katapult

Die Posten des Chefredakteurs galten damals als Schleudersitz, denn die 45 Chefredakteure im Lokalfunk wechselten häufiger als die Trainer in der Fußball-Bundesliga. Mitarbeiter des WDR waren bis auf eine Ausnahme keine bei diesem Abenteuer dabei. Ich nahm mir vor, drei Jahre lang durchzuhalten, um keine Eintagsfliege zu sein. Es wurden 24 Jahre daraus. Sie machten mich lt. Kress News 4/2015 „zu einem der erfolgreichsten Radiomacher Deutschlands“. Mein Karriere-Aus als Lehrer hatte sich als Katapult erwiesen.

"Keine Pflichtübungen!"

Folge nur dem, von dem du überzeugt bist – mit dieser Devise erklärte ich in einen Vortrag auf dem Medienforum 1994 in Köln unseren Erfolg in Hamm. Das konsequente Optimieren und sorgfältige Feilen am Produkt war mir genauso wichtig wie das Ausprobieren von Neuem, sagte ich damals. In dieser Zeit erfuhr ich davon, wie es Ford in den USA erging, als das Unternehmen alles richtig machen wollte und ein Auto komplett nach den Wünschen der Kunden baute: den Ford Edsel. Er wurde der größte Flop der Firmengeschichte. Ohne eigenen Charakter wird das Programm zum Echo seiner Hörer und verliert damit etwas Wichtiges. Ohne deinen Eigensinn wirst du farb- und kraftlos.

Von wem lernen?

Wer in seiner Branche an der Spitze steht, kann keinen Marktführer nachahmen, aber von vielen Kollegen lernen. Radio gilt als Branche, in der alles, was dich zur Nummer eins gemacht hat, dich nicht dort halten wird. Radio muss sich wandeln und gelegentlich Neues machen ohne der Garantie, dass es erfolgreich wird. Die Burger-King-Strategie, den Marktführer nachzuahmen, ist wirtschaftlich das Sinnvollste, denn man kann der besten Praxis folgen. Doch wer will schon immer der Zweite sein? Deshalb braucht es Phantasie, Intuition und etwas Risikofreunde. „Sei da, wo der Ball hingespielt wird!“ brachte es die amerikanische Programmmacherin Valeri Weber auf den Punkt. In der „Arbeit 4.0“ ist das heute als „Agilität“ absolut angesagt, „proaktiv und antizipativ“ auf Augenhöhe zu führen „mit Vertrauen und Inspiration“ …

Ein Leitbild macht fokussiert die Kräfte

In den vielen Jahren meiner Arbeit als Chefredakteur habe ich gelernt, dass es für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens einen konstruktiv-wertschätzenden Umgang mit den Kollegen braucht und eine gemeinsame Idee, die über das Geldverdienen hinausgeht. Gemeinsam entwickelten wir 2009 ein Leitbild für Radio Lippewelle Hamm. Zur Leitbildentwicklung unter professioneller Anleitung von Kirsten Annette Vogel kam es, als wir aufgrund innerer Spannungen auf Platz 8 (von 45 Stationen) „abgerutscht“ waren. Anschließend kündigte ich meiner Veranstaltergemeinschaft auf dem Neujahrsempfang mutig an, in diesem Jahr wieder auf Platz eins zu sein. Mit Erfolg.

Jede erfolgreiche Firma braucht eine Bestimmung

Normalerweise geht es Unternehmen darum, Geld zu verdienen. Je mehr, umso besser. Ohne einen Gewinn kann es nicht überleben, er ist damit die (Überlebens)Bedingung des Unternehmens. Um aber langhaltig erfolgreich zu sein braucht das Unternehmen eine Bestimmung, wofür es da sein will. Also etwas Sinnvolles. Der Lokalfunk ist dem Gemeinwohl verpflichtet! Der Lokalfunk NRW gehört als einziger Privatfunk in Deutschland rechtlich den Bürgern. Damit muss er weder der Politik oder dem Geld  nach dem Munde reden, sondern darf auch mal anecken, den Finger in die Wunde legen und auf Missstände aufmerksam machen. Das ist mir hoffentlich ein Stück weit gelungen. Ich bin davon überzeugt, dass ein Sender AUCH so etwas wie seine eigene Stimme haben muss und nicht nur berateroptimiert und marktkonform sein und seine Hörer fast ausnahmslos nur mit Banalitäten bespaßen darf. Doch diese Ansicht ist nicht mehr selbstverständlich, wenn letztlich die Quote und das Überleben zählt.

Warum mir die Entfaltung unserer Möglichkeiten und Potentiale so wichtig wurde

Normalerweise geht es Unternehmen darum, Geld zu verdienen. Je mehr, umso besser. Ohne einen Gewinn kann es nicht überleben, er ist damit die (Überlebens)Bedingung des Unternehmens. Um aber langhaltig erfolgreich zu sein braucht das Unternehmen eine Bestimmung, wofür es da sein will. Also etwas Sinnvolles. Der Lokalfunk ist dem Gemeinwohl verpflichtet! Der Lokalfunk NRW gehört als einziger Privatfunk in Deutschland rechtlich den Bürgern. Damit muss er weder der Politik oder dem Geld nach dem Munde reden, sondern darf auch mal anecken, den Finger in die Wunde legen und auf Mißstände aufmerksam machen. Das ist mir hoffentlich ein Stück weit gelungen. Ich bin davon überzeugt, dass ein Sender AUCH so etwas wie seine eigene Stimme haben muss und nicht nur berateroptimiert und marktkonform sein und seine Hörer fast ausnahmslos nur mit Banalitäten bespaßen darf. Doch diese Ansicht ist nicht mehr selbstverständlich, wenn letztlich die Quote und das Überleben zählt.

Warum Hamm die richtige Stadt ist

Hamm ist für mich eine Stadt ohne Schicki-Micki und Allüren. Heckmeck, Aktionismus und das Auf-Show-Machen können eine ehemalige Bergarbeiterstadt ohnehin kaum beeindrucken. Hamm ist vielleicht etwas nüchtern, aber mit einer handfesten Herzlichkeit und einem großen Engagement gesegnet! Ich bin immer wieder berührt und beeindruckt, was die Bürger alles hinkriegen! Viele von ihnen haben kein leichtes Leben und müssen in ihren schlecht bezahlten Jobs richtig kämpfen: Respekt!

Beispiele aus Hamm: Es waren auch Hammer Bürger, die die erste Eishallen-Genossenschaft in ganz Deutschland gegründet haben. Sie sind innovativer und erfolgreicher als je zuvor! Das Lutherviertel ist zum buntesten Viertel der Stadt geworden, in dem die Bewohner an einem Strang ziehen und immer wieder Neues auf die Beine stellen – und das zusammen auch gehörig feiern! An der Kettlerschule haben Eltern und Lehrer gemeinsam mit ihren Kindern Hand angelegt und den Schulhof komplett umgestaltet ohne öffentliche Mittel. Eltern, Lehrer und Kinder waren mit großer Begeisterung dabei. Nebeneinander stehend schälten Lehrer und Väter die Rinde vom Eichenstamm und ein Kind fuhr sie mit der Schubkarre weg. Den Beteiligten ging dabei so das Herz auf, dass sie sich alle per „Du“ ansprachen! Und mit Recht waren sie sehr stolz auf sich, denn ohne Eigenleistung hätte der Umbau 130.000 Euro gekostet. Oder Bauer Heinrich Schlockermann in Weetfeld, der die Nachbarskinder auf seien Hof in die Werkstatt einlud, wo sie gemeinsam Vogelhäuser gebaut haben. Der Verkauf für unsere Aktion Lichtblicke hat 2000 Euro eingebracht! Oder der Lyrikabend, zu dem Ul und Klaus Harkenbusch zweimal im Jahr einladen und jedes Mal über 200 Besucher kommen. Oder, oder, oder …

Projekte dieser Art gibt es zahllos in Hamm, wo Menschen etwas am Herzen liegt und sie gemeinsam einen Weg finden trotz unvermeidlichen Misserfolge und Rückschläge. Das imponiert mir wirklich! Denn ihr Engagement lässt sich mit Geld nicht bezahlen.

Menschen machen unsere Stadt lebenswert

Einmal durch das, was sie auf die Beine stellen und zweitens durch ihren Mut und ihre konstruktive Art, an die Dinge heranzugehen. Damit sie auch andere Menschen inspirieren können habe ich sie im Radio gerne zu Wort kommen lassen. Ich finde gerade in einer Zeit, wo die Welt verrückt zu spielen scheint, sind sie sehr wertvoll für den Umgang miteinander in einer Stadt. Ich würde mich freuen, wenn wir uns alle gegenseitig einladen, ermutigen und inspirieren könnten!

Wir werden immer erfolgreich sein, wenn:

Wir wissen, was wir aneinander haben und jeder mit seiner Art willkommen ist.
Wir offen über alles sprechen können.

Ein Zuhörer macht Sie klar und kreativ 

Schon das gegenseitige Zuhören kann zu einer Art geistigen Geburtshilfe werden. PS: Wann hat Sie eigentlich zum letzten mal jemand gefragt, was Sie über eine Sache wirklich denken, und hat Ihnen ohne Unterbrechung so lange zugehört, bis Sie alles gesagt hatten? Es tut so gut, loszuwerden, was man auf dem Herzen hat. Und der andere ganz aufmerksam zuhört, aber nichts kommentiert. Also schweigt wie ein Grab. Es sei denn, Sie bitten ihn um sein Feedback. Haben Sie so jemanden, dem Sie ihre krausesten Gedanken und geheimsten Gefühle anvertrauen können, ohne sich für irgendwas rechtfertigen zu müssen? Herzlichen Glückwunsch!

Es gibt immer einen Weg. Es ist dein eigener

Um besser Zuhören zu lernen, habe ich mich 2012 zum Telefonseelsorger ausbilden lassen. Seitdem habe ich viele vertrauliche Gespräche mit Menschen geführt, die sich in schwierigen Lebenssituationen befunden haben. Mitgebrachte Rezepte oder Tools passen hier nicht. Weil sich jeder Mensch nur sich selber ändern kann, verschließt er sich, je besser ich es mit ihm meine und je mehr ich auf ihn einrede. Wir sind absolut lernfähig, wenn uns etwas interessiert, aber unbelehrbar, wenn wir es nicht wollen. Oder können, weil schmerzhafte Erfahrungen dem im Wege stehen. Am TS-Telefon habe ich gelernt, anderen Menschen so zuzuhören, dass sie aufatmen und klarer sehen können und so nach und nach ihren eigenen Weg wieder finden …

2014 haben die Buchhändlerin Margret Holota und ich zum „Bürgertreff der bewußten Gestalter“ eingeladen. Vorangegangen war eine Einladung der Stadt ins Kleistforum, um über die Zukunft der Innenstadt zu sprechen. Der Moderator lobte das vielfältige Engagement der Bürger unserer Stadt. Deutlich wurde aber auch, dass die Stadt auf uns Bürger angewiesen ist, denn sie hat aufgrund ihrer Verschuldung kein Geld mehr übrig für Investitionen und auch der Einzelhandel hat seinen Zenit überschritten. Seitdem zunehmend der Handel online geht ist der Einzelhandel im Rückbau begriffen. Damit kann ohne die Ressourcen, Ideen und Initiativen der Bürger eine Stadt nicht lebendig und lebenswert bleiben. Doch welche Lebensqualitäten sind es, die unsere Stadt attraktiv machen, wenn es nicht mehr nur das Shoppen ist? Rund ein Dutzend Bürger kamen regelmäßig zusammen, um einander zuzuhören und von neuen Projekten zu erfahren.

Verstehen wollen verbindet!

Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise Anfang 2015 habe ich mir zwei Mal erlaubt, wildfremde Bürger in die Redaktion einzuladen mit den Worten: „Wenn Sie reden wollen über das, was Sie aufwühlt, in der familiären Atmosphäre der Lippewelle“. Ohne meine Erfahrung als Telefonseelsorger hätte ich mir das kaum getraut. Ein Dutzend Leute kamen zusammen: u. a. zwei Studentinnen, eine Hausfrau, die Flüchtlingen half, ein Schöffe, ein Sozialarbeiter, ein Pegida-Sympathisant und ein Mann vom Sicherheitsdienst in einer Unterkunft. Wir saßen im Kreis zusammen, kein Mikro war an. Jeder durfte erzählen, was ihn bewegte und warum. Es kamen persönliche Erfahrungen zu Wort und was sie bewirken können an Kummer und Zorn. Über zwei Stunden lang hören sich alle intensiv zu. Und waren dankbar dafür, denn zuhause und unter Kollegen wollte man über Flüchtlinge nichts mehr hören. Wenn aber zu lange nicht gehört wird, was einem auf dem Herzen liegt, wird er sich irgendwann unerhört benehmen, sagt ein berühmter Kommunikationswissenschaftler dazu. Es tut Menschen gut, wenn sie sich verstanden fühlen. Doch ein Verständnis für ihre Erlebnisse, Beweggründe und Motive ist KEIN Einverständnis mit dem, wie sie darüber denken und was sie dann tun: eine absolut wichtige Unterscheidung!

Es gibt nicht nur eine Wahrheit

Bei allen wichtigen Lebensfragen gibt es nicht nur eine Wahrheit. Bedrohten und verfolgten Menschen muss geholfen werden, wenn wir menschlich bleiben wollen. Jeder gut integrierte Zuwanderer hat einen Deutschen erlebt, der gut zu ihm war, sagen Studien. Zugleich riskieren wir auch etwas, wenn Menschen in unser Land kommen, von denen wir nicht immer wissen, wer sie wirklich sind und was in ihnen steckt. Reiche Menschen grundsätzlich die Hand zur Hilfe und sei offen für sie. Aber Du musst dich nicht in die Hand beißen lassen … Jeder positive Wert braucht einen positiven Gegenwert! So sind Offenheit, Verständnis und Akzeptanz wunderbar und kommen viel zu selten vor. Doch kann sich jemand preisgeben und sich verlieren, wenn er nicht auch für sich eintreten kann. Umgekehrt wird jemand, der nur konfrontiert und sich abschottet zu einem feindseligen Menschen, den Feindschaften selig machen. Wer nur eine Wahrheit gelten lässt, wird der Situation nicht gerecht und ist unfähig zum Dialog. Er will dann nur seine Wahrheit durchsetzen. Im Dialog aber kann erst eine neue gemeinsame Wahrheit entstehen.

Abschied von der Lippewelle

Im Sommer 2016 habe ich mich von Radio Lippewelle Hamm verabschiedet, um die interessantesten Orte in Deutschland zu besuchen, wo Menschen gemeinsam etwas ausprobieren, für das es kein Vorbild gibt. Dazu gehören Gemeinschaften wie Schloß Tempelhof, Siebenlinden und das Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung ZEGG in Bad Belzig. In letzten Jahr habe ich viel über das erfahren, was uns einfallsreicher, mutiger und empathischer macht und habe mich zum Coach für eine Lernkultur der Potentialentfaltung ausbilden lassen. Ich bin überzeugt, dass unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft und auch wir selbst diese Metakompetenzen bzw. Softskills brauchen für eine gute gemeinsame Zukunft und ein erfüllteres Leben.

„Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“

Viktor Hugo

Menschen, Beziehungen, Teams, Unternehmen und Gesellschaften benötigen ein zwischenmenschliches Klima von Wohlwollen, Vertrauen und Weitsicht als einer Art Nährboden, um ihr wahres Potential zu entfalten. Dieses Klima braucht Freiraum und Stabilität zugleich, damit sich Lebendigkeit entwickeln kann.

Damit ist die Entfaltung unserer Potentiale:

  • möglich, sagt die Hirnforschung
  • freiwillig, individuell und erfüllend für unser persönliches Leben
  • liberal, weil es Lösungen nicht vorschreibt sondern bessere Lösungen möglich macht
  • notwendig, um nachhaltiger wirtschaften zu können

Nichts ist zu gut, um wahr zu sein. PS: Ob sie glauben, sie können es nicht oder ob sie glauben, sie können es: in beiden Fällen haben Sie Recht!